Warum einfühlsame, introvertierte Frauen oft (noch) keine engen Freundinnen haben (und lernen dürfen, spezielle Ansprüche an Freundschaften zu stellen)

Das Thema Freundschaft unter Frauen ist eines, das mich schon lange fasziniert und beschäftigt. Eine als Standard akzeptierte Vorstellung davon, wie „typische“ Freundschaften unter Frauen zu sein haben, kann vor allem einfühlsame und introvertierte Frauen unter Druck setzen, da diese oft ganz andere Sehnsüchte, Bedürfnisse und Ansprüche an eine Freundschaft haben.

Das vorherrschende Bild von Freundschaften unter Frauen ist in unserer Kultur verankert und geprägt durch Filme, Serien und soziale Normen. Es gilt als „das Normalste der Welt“, die eine beste Freundin zu haben, die einen in- und auswendig kennt, oder Teil einer festen Frauenclique zu sein.

Hat man diese nicht, kann es schnell zu Selbstzweifeln kommen. Vor allem einfühlsame und introvertierte Frauen hadern oft mit sich selbst, wenn sie sich mit dem vermeintlichen Standard vergleichen.

Introvertierte Frauen dürfen ihre eigenen Ansprüche an Freundschaften stellen

In meiner Arbeit mit Frauen beobachte ich oft, dass vor allem introvertierte und sensible Frauen Schwierigkeiten haben, die für sie ‚richtigen‘ Freundinnen zu finden. Viele von ihnen haben keine beste Freundin oder erleben ihre derzeitigen Freundschaften als wenig erfüllend. Manchmal sind sie sogar in Freundschaften, die ihnen mehr Energie entziehen als geben, und in denen sie sich über die Jahre ‚arrangiert‘ haben.

Wir alle sehnen uns danach, in Beziehungen wahrhaftig gesehen und gehört zu werden, mitteilen zu können was in uns vorgeht und dabei auf Akzeptanz, statt Bewertung zu treffen. Diese Erfahrung können wir nur in zwischenmenschlichen Beziehungen machen. Da introvertierte Frauen von Natur aus gerne viel Zeit mit sich selbst und dem eigenen Innenleben verbringen, haben sie andere, spezielle Bedürfnisse in einer Freundschaft. Z.B. das Bedürfnis nach genug Freiraum und Autonomie, und gleichzeitig das Bedürfnis nach tiefer Verbundenheit.

Diese kontrovers klingenden Bedürfnisse sind vollkommen natürlich und schließen sich nicht gegenseitig aus, auch wenn uns dies oft so beigebracht wurde. Immer für die andere da sein zu müssen, ungeachtet der eigenen Energiereserven, ist ein Modell, mit dem feinfühlige Frauen sich oft überfordert fühlen.

Doch der Weg zu authentischen Freundschaften beginnt damit zu verstehen, dass es nicht darum geht, in einer Freundschaft die eigenen Bedürfnisse nach hinten zu stellen, sondern darum, sich auf eine sanfte, ehrliche Weise mitzuteilen, und darauf zu vertrauen, dass die richtigen Frauen dich verstehen werden.

Es ist ein Missverständnis, dass einfühlsame Frauen lieber zuhören, als sich selbst mitzuteilen

Introvertierte Frauen sind äußerst vielschichtig und haben ein reiches Innenleben. Gerade weil ihr Innenleben so vielschichtig und komplex ist, herrscht in ihnen eine Sehnsucht danach, dieses in tiefsinnigen Gesprächen mitzuteilen und dabei Verbundenheit zu erfahren, wertgeschätzt und gesehen zu werden.

Somit ist es ein Trugschluss, dass einfühlsame Frauen lieber zuhören als sich selbst mitzuteilen. Wenn eine introvertierte Frau sich öffnet, kann sie leidenschaftlich und gesprächig sein. Doch dafür braucht sie eine passende Umgebung: einen ruhigen, sicheren Raum und eine Gesprächspartnerin, die ihr wirklich zuhört und den Raum hält, damit sie sich entfalten kann.

Was einfühlsame und introvertierte Frauen für einen erfüllenden Austausch brauchen

  • Eine reizarme, sichere Umgebung: Introvertierte Frauen können sich am besten auf einen tiefgehenden Austausch einlassen, wenn sie sich in einem ruhigen, entspannten Umfeld wohlfühlen.

  • Eine Gesprächspartnerin, die wirklich zuhört: Es geht darum, dass die andere nicht nur redet, sondern den Raum gibt, sich ehrlich mitzuteilen.

  • Genügend Zeit zum Reflektieren: Einfühlsame Frauen brauchen oft Zeit, um ihre Gedanken und Emotionen zu verarbeiten, bevor sie sie teilen können.

Es liegt nicht in der Natur von einfühlsamen Frauen, sich einen Raum zu erkämpfen, den sie nicht geschenkt bekommen

Die Behauptung, introvertierte Frauen wären einsame Wölfinnen, die keine engen Freundschaften brauchen, kann ich als introvertierte Frau widerlegen. Vielmehr sind feinfühlige Frauen sehr wählerisch, wem sie sich gegenüber öffnen. Meine Beobachtung ist, dass sie in Begegnungen oft zu kurz kommen, ihnen nicht der Raum gelassen wird, der ihnen zusteht und sie sich somit zweimal überlegen, ob diese Begegnungen ihnen gut tun.

Es liegt nicht in der ruhigen und reflektierten Natur von introvertierten Frauen, sich einen Raum zu „erkämpfen“, den sie nicht geschenkt bekommen. Sie werden ihr Gegenüber in der Regel nicht unterbrechen oder ins Wort fallen, um sich mitzuteilen, denn sie haben das Bedürfnis danach, dass der Raum ihnen ganz natürlich überlassen und für sie gehalten wird. Selbst subtile Anzeichen dafür, dass der Raum für sie nicht im gleichen Umfang gehalten wird, wie z.B. ein wiederkehrendes Unterbrechen, kann Anlass genug für eine introvertierte Frau sein, sich zu verschließen.

Die Folge ist ein Muster, welches dir vielleicht bekannt vorkommt:

Am Ende der Begegnung hattest du zwar eine schöne Zeit, doch im Kern fühlst du dich nicht gesehen, nicht wertgeschätzt und übergangen. Dieser bittere Nachgeschmack kann dir paradox vorkommen, da du höchstwahrscheinlich ein sehr gegensätzliches Feedback von deiner Begleitung gespiegelt bekommst, welche sich durch das Treffen bereichert fühlt.

Die kontroverse Auffassung der Begegnung kann dazu führen, dass einfühlsame Frauen an sich selbst zweifeln und den Fehler bei sich suchen.

Introvertierte Frauen, die ihr wahres Naturell unterdrücken, ziehen oft die ‘falschen’ Freundschaften in ihr Leben

Die Anpassung an ein extravertiertes Ideal ist introvertierten Frauen nicht fremd, durchzieht diese ‚Überlebensstrategie‘ doch oft viele unserer Lebensbereiche. Warum sich also nicht auch in Freundschaften anpassen, um sich zugehörig zu fühlen? Oft ist es einfacher, sich anzupassen, als authentisch zu bleiben.

Eine interessante Beobachtung, die ich auch in meinem Leben machen konnte, war: Einfühlsame und introvertierte Frauen, die gelernt haben, ihr wahres Naturell zu unterdrücken und sich anzupassen, ziehen oft die ‚falschen‘ Freundschaften in ihr Leben. Sie öffnen sich oftmals nur bis zu einem gewissen Grad in diesen Freundschaften, da ihnen der Raum dafür fehlt und echtes Interesse seitens der anderen Person. Dass diese Form der Freundschaft höchst unzufriedenstellend und in manchen Fällen sogar toxisch ist, spüren einfühlsame Frauen instinktiv.

Wenn introvertierte Frauen zu sich selbst zurückfinden, verändern sich auch ihre Freundschaften

Wenn introvertierte Frauen beginnen, zurück zu ihrer Essenz zu finden und all die Rollen, die sie einst spielten, abzulegen, verändern sich auch ihre Freundschaften.

Sie beginnen zu lernen, dass sie so, wie sie sind genau richtig sind. Dass es nicht darum geht, sich anzupassen, extravertierter zu werden oder sich zwanghaft Gehör zu verschaffen.

Sondern darum, die richtigen Frauen als Freundinnen in ihr Leben zu ziehen.

Einfühlsame Frauen dürfen selbstbewusster werden und sich selbst die Erlaubnis geben, klare Ansprüche an Freundschaften zu stellen. Letztendlich beginnt die Reise zu erfüllenden Freundschaften in ihnen selbst – indem sie ihre eigenen Bedürfnisse erkennen und respektieren. Indem sie lernen, den Raum einzunehmen, der ihnen von anderen bewussten, feinfühligen Frauen geschenkt wird.


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Das richtige ‚Rudel‘ finden: Herausforderungen für einfühlsame und introvertierte Frauen auf der Suche nach Zugehörigkeit