Toxische Scham: Wie sie Frauen klein hält und welches Potenzial dahintersteckt, wenn feinfühlige Frauen sich ihrer Scham stellen
Scham ist eine der Grundkräfte unserer Gefühlswelt. Obwohl es eines der mächtigsten und unangenehmsten Gefühle ist, ist es meiner Erfahrung nach auch das Gefühl, womit wir uns am wenigsten auseinandersetzen.
In ihrer gesunden Ausprägung weist uns das Schamgefühl den Weg zur Selbstreflektion. In ihrer schädlichen Ausprägung jedoch hindert uns die toxische Scham daran, unsere Authentizität zu leben und uns selbst anzunehmen.
Vor allem einfühlsame, introvertierte Frauen haben meist eine ungesunde Beziehung zur Scham erlernt, welche sie dazu verleitet, bestimmte Anteile ihrer Selbst zu verbannen. Wenn wir uns für natürliche Anteile unserer weiblichen Wildnatur schämen, verwehren wir uns – oft unbewusst – einer ganzheitlichen Selbstliebe.
Einfühlsame Frauen dürfen sich ihrer Scham annähern und lernen, dass Scham und Selbstliebe sich gegenseitig nicht ausschließen, sondern auf eine heilsame Art und Weise ergänzen.
In ihrer gesunden Ausprägung ermöglicht uns Scham, in die Selbstreflektion zu gehen
Laut der Autorin Vivian Dittmar ist das Gefühl der Scham eine der fünf Grundkräfte unserer Gefühlswelt, neben Wut, Angst, Freude und Trauer. Wie alle Gefühle hat auch die Scham eine überaus wichtige Funktion zu erfüllen.
In ihrer gesunden Ausprägung dient sie als Signal, das uns dazu einlädt, unser Verhalten zu reflektieren und Demut zu empfinden. Sie zeigt uns, wo wir ethische oder moralische Grenzen überschritten haben. Scham zu spüren ist somit eine Voraussetzung für ein friedliches, reflektiertes Verhalten im sozialen Miteinander.
Allerdings kann Scham auch toxisch werden. Statt uns zu helfen, unser Verhalten zu korrigieren, kehrt sie sich gegen unser Selbst und vermittelt uns die Botschaft: „Ich bin falsch“. In dieser Form blockiert Scham nicht nur unser authentisches Selbst, sondern auch unseren Zugang zur Selbstliebe, Kreativität und Intuition.
Scham als Manipulationsinstrument: Frauen wurden seit jeher durch toxische Scham klein gehalten
Dass es vor allem Frauen sind, die mit toxischer Scham zu kämpfen haben, hat historische und gesellschaftliche Gründe. Scham wurde über Generationen hinweg missbräuchlich eingesetzt, um Frauen in gesellschaftliche Rollen zu drängen, sie klein zu halten und sie von ihrer Wildnatur zu trennen:
Historische Unterdrückung: Während der Hexenverfolgung wurden kluge und intuitive Frauen als Bedrohung wahrgenommen und auf grausame Art und Weise bestraft. Diese Erfahrung hat tiefe Wunden im kollektiven weiblichen Gedächtnis hinterlassen und trägt dazu bei, dass Frauen bis heute ihre Intuition und Weisheit unterdrücken.
Beschämung des weiblichen Körpers: Frauen wurden gelehrt, ihren Körper als schamhaft zu empfinden – sei es durch die Tabuisierung des weiblichen Zyklus oder die Sexualisierung und gleichzeitige Beschämung weiblicher Sexualität.
Gesellschaftliche Erwartungen: Frauen sollen angepasst, ruhig und perfekt sein. Sie werden für natürliche Emotionen wie Wut oder für ihren kreativen Ausdruck oft beschämt, was sie dazu zwingt, sich klein zu machen und anzupassen.
Meiner Erfahrung nach sind feinfühlige, introvertierte Frauen besonders anfällig für toxische Scham, da sie bereits meist von klein auf den Glaubenssatz „Ich bin falsch“ internalisiert und gelernt haben, sich an eine laute und produktive Welt anzupassen.
Toxische Scham trennt Frauen von ihrer Identität
Ein gesunder Umgang mit Scham kann erlernt werden. Wenn wir als Kinder in unseren Emotionen begleitet werden, lernen wir Schamgefühle einzusortieren und angemessen auf diese zu reagieren. Doch die wenigstens feinfühligen Frauen, mit denen ich bisher gesprochen habe, hatten als Kinder das Privileg, von emotional intelligenten Bezugspersonen in ihren Schamgefühlen begleitet zu werden.
Die daraus entstehende toxische Scham führt dazu, dass feinfühlige Frauen bestimmte Anteile ihrer Persönlichkeit – wie Intuition, Kreativität oder Wut – unterdrücken, um nicht abgelehnt zu werden. Hinzu kommt eine einnehmende Angst vor dem Schamgefühl selbst, d.h. die Angst davor, körperliche Merkmale von Scham vor anderen zu zeigen (z.B. das Erröten, Schwitzen, Stottern), da diese ja den „Beweis“ liefern, dass man sich für sich selbst schämt.
Die Folgen sind vielfältig:
Soziale Angst und Rückzug: Frauen fühlen sich „falsch“ und verstecken ihre wahre Essenz. Sie haben Angst, dass ihr wahres Selbst im sozialen Kontakt mit anderen hervorkommen könnte.
Perfektionismus und Selbstkritik: Um bloß keine Angriffsfläche für Kritik zu bieten, streben sie nach Perfektion und stehen sich selbst im Weg. Dieses Verhaltensmuster zwingt feinfühlige Frauen in eine Schleife der kräfteraubenden Produktivität, die entgegen ihres Ruhe-liebenden Wesens geht.
Blockade der Kreativität und Intuition: Angst vor Fehlern und Kritik hindert einfühlsame Frauen daran, ihre natürliche Schöpferkraft auszuleben. Sie blockieren sich selbst, indem sie sich nicht ausprobieren, keine Veränderungen oder Risiken eingehen.
Viele dieser Mechanismen spielen sich unbewusst ab und es fühlt sich für viele Frauen zunächst sicherer an, in der Anpassung zu bleiben. Doch bei den meisten wird der intuitive Ruf nach der Rückkehr zu ihrer Wildnatur irgendwann größer als die Angst vor der Scham.
Der Weg zu einem authentischen Leben führt über das Überwinden der toxischen Scham und über die Erfahrung von ganzheitlicher Selbstliebe.
3 Wege, toxische Scham zu überwinden und in die Selbstliebe zu kommen
1. Bewusstwerden und Reflektion
Stelle dir Fragen wie: „Welche Gedanken flößen mir Scham ein?“ oder „Für welche Gefühle, Taten oder Gedanken schäme ich mich?“
Höre in dich hinein, welche Anteile du verbannt hast, um dich anzupassen (z.B. die Sinnliche, die Verspielte, die Anführerin…)
2. Sich der Scham annähern
Gehe gedanklich in Situationen zurück, in denen du dich geschämt hast, und schenke dir selbst Mitgefühl und Liebe. Sage dir den Satz: „Auch wenn ich mich schäme, liebe und akzeptiere ich mich so, wie ich bin“.
Suche geschützte Räume wie Frauenkreise, um dich authentisch zu zeigen und zu erfahren, dass du mit all deinen Anteilen akzeptiert bist.
3. Scham durch Körperarbeit lösen
Tanze, bewege dich intuitiv oder arbeite mit deinem Zyklus, um die Verbindung zu deinem weiblichen Körper zu stärken.
Nutze Atemübungen oder Meditation, um im Moment anzukommen und innere Ruhe zu finden. Distanziere dich von erlernten Gedankenmustern und deiner inneren kritischen Stimme.
Scham als Potenzial: Die heilsame Kraft der Selbstliebe
Toxische Scham ist eine der größten Hindernisse für Frauen auf dem Weg zu ihrem authentischen Selbst. Wenn feinfühlige Frauen lernen, toxische Scham von gesunder Scham abzugrenzen und diese bewusst zu fühlen und anzunehmen, wird sie zu einer Quelle der Heilung.
Scham zeigt uns u.a., wo wir noch wachsen und heilen dürfen, und lädt uns dazu ein, diesen Wunden mit Selbstliebe zu begegnen. Sich der eigenen Scham zu stellen und sie sogar in Dankbarkeit willkommen zu heißen, ist eine kraftvolle Praxis der Selbstannahme.
Wenn feinfühlige Frauen den Mut haben, sich ihrer Scham zu stellen und lernen, sich selbst trotz Schamgefühl zu lieben, ermächtigen sie sich dazu, ein authentisches Leben im Einklang mit ihrer Wildnatur zu führen.
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