Introvertiert und kraftvoll: Warum leise Frauen die Welt bereichern (und 7 wertvolle Stärken von introvertierten Frauen)
Eine Beobachtung, die ich in Gesprächen mit introvertierten Frauen gemacht habe, ist, dass diese ihr Persönlichkeitsmerkmal ‚Introversion‘ meist eher negativ bewerten, z.T. sogar als Last empfinden oder sich dafür schämen. Auch ich habe eine Zeit lang Schwierigkeiten damit gehabt, mein ruhiges Wesen in einer Gesellschaft einzuordnen, die eine schnelle und laute Perfomance belohnt.
Die Ansprüche einer Gesellschaft, die das Extravertierte idealisiert, haben dazu geführt, dass viele feinfühlige und introvertierte Frauen sich im Laufe der Zeit Strategien angeeignet haben, um ihre Introversion zu verbergen und nach außen hin extravertiert aufzutreten.
Doch diese Strategien sind auf Dauer nicht nur ungesund für ihre feinfühligen Anwenderinnen, sondern führen auch dazu, dass introvertierte Frauen sich von ihrem Wesenskern entfremden und sich in einem Beruf, in Beziehungen oder in einem Leben wiederfinden, das nicht zu ihren Bedürfnissen passt.
Es ist an der Zeit, dass sich introvertierte Frauen ihre wertvollen Stärken und Qualitäten bewusst machen, ihre Introversion als Geschenk anerkennen und sich das Leben erschaffen, dass zu ihren Bedürfnissen passt – ohne schlechtes Gewissen.
Bin ich introvertiert? Ein Einblick in die Persönlichkeit
Schauen wir uns zunächst einmal an, was Introvertierte typischerweise auszeichnet und von Extravertierten unterscheidet. Denn neben den Unterschieden im Charakter, sozialen Vorlieben und Verhaltensweisen existieren auch neurologische Wahrnehmungsunterschiede sowie Unterschiede im Energiefluss.
Introvertierte …
sind ‚innenorientiert‘ und beziehen ihre Energie aus ihrem Innenleben
sind empfindlicher für Stimulation und zeigen stärkere Reaktionen auf Dopamin, dem „Belohnungshormon“ im Gehirn - ihr Wohlfühllimit an Reizen ist somit schneller erreicht, was zur Überstimulierung führt
bevorzugen folglich eher ruhige, weniger stimulierende Umgebungen
denken oft intensiv nach, bevor sie sprechen oder handeln
sind weder schüchtern noch sozial isoliert – im Gegenteil, sie neigen zu tiefen, intensiven Gesprächen und Beziehungen, wünschen sich jedoch genug Rückzugsmöglichkeiten, um mit sich zu sein und so ihre Energie aufzuladen
ca. 70% der Introvertierten sind hochsensibel oder feinfühlig
Extravertierte …
sind ‚außenorientiert‘ und beziehen ihre Energie aus dem äußeren Umfeld
benötigen einen höheren Input an äußeren Reizen und Dopamin, um sich stimuliert zu fühlen – sie fühlen sich zu sozialen Interaktionen hingezogen
bevorzugen folglich größere Gruppen und abwechslungsreiche, stimulierende Aktivitäten
sind oft spontan, laut und denken beim Sprechen
neigen dazu, schnell Entscheidungen zu treffen und mehrere Dinge gleichzeitig zu tun
sind nicht nur ‚gerne‘ in Gesellschaft, sondern benötigen diese, um ihre Energie aufzuladen, wenn sie zu lange alleine waren
ca. 30% der Extravertierten sind hochsensibel oder feinfühlig
„Wenn du nicht weißt, was ein Extravertierter denkt, hast du nicht zugehört. Wenn du nicht weißt, was ein Introvertierter denkt, hast du nicht gefragt. “
Intro- und Extraversion sind zwei Enden eines Spektrums, und es ist selten, dass sich jemand am extremen Ende befindet. Vielmehr gibt es viele Zwischenstufen, in denen wir uns einordnen können oder in einigen Fällen auch genau in der Mitte liegen – diese Personen werden als ‚zentrovertiert‘ bezeichnet.
Unsere Persönlichkeit ist vielschichtig und einzigartig
Intro- und Extraversion sind angeborene Merkmale, die ihren Anteil dazu beitragen, unsere vielschichtige Persönlichkeit auszumachen. Gleichwohl formen viele weitere Merkmale, gesellschaftliche/kulturelle Normen sowie individuelle Erfahrungen unsere Persönlichkeit, welche als Resultat daraus absolut einzigartig ist.
Feinfühlige und introvertierte Frauen können somit nicht in eine Schublade gesteckt werden, erst recht nicht mit Personen, die ganz andere Bedürfnisse hinsichtlich ihres Energiemanagements und sozialen Verhaltens haben. Dennoch werden gesellschaftlich extravertierte Ansprüche an introvertierte Frauen gestellt. Und mehr noch: oftmals wird Introvertierten von klein auf vermittelt, dass sie ‚falsch‘ und/oder ‚minderwertig‘ sind.
Was veranlasst introvertierte Frauen dazu, sich an eine laute Welt anzupassen?
Bereits in der frühkindlichen Entwicklung lernen introvertierte und feinfühlige Frauen, sich anzupassen, um die an sie gestellten Erwartungen zu erfüllen:
Erziehung
Introversion wird oft nicht als solche erkannt und introvertierte Kinder als ‚zu leise‘, ‚zu schüchtern‘ oder ‚zu unsozial‘ wahrgenommen. Kinder bekommen es mit, wenn in ihrem Beisein darüber gesprochen wird.
In der Entwicklung des introvertierten Kindes wird häufig keine Rücksicht auf die Bedürfnisse hinsichtlich der Umgebung oder sozialen Interaktion genommen (z.B. möglichst reizarm, mit Rückzugsmöglichkeiten).
Statt die Entwicklung der eigenen, individuellen Persönlichkeit zu fördern und die Einzigartigkeit als Geschenk hervorzuheben, neigen Eltern dazu, vermeintliche Mängel wie fehlende Kontaktfreudigkeit auszubessern.
Bildungssystem
Schulen bevorzugen Gruppenarbeit und rege Klassenbeteiligung, bei der sich introvertierte Kinder oft unwohl fühlen und dadurch als „nicht engagiert“ wahrgenommen werden.
Volle Klassen mit wenig Zeit in der Natur stellen eine ungünstige Umgebung für introvertierte Kinder dar, um ihr Selbstbewusstsein zu entdecken und an ihre Fähigkeiten zu glauben.
Durch mündliche Noten wird die Ausdrucksform im Klassengefüge bewertet. Dabei liegt es Introvertierten oftmals mehr, sich in kleineren Gruppen mitzuteilen oder sich auf eine andere Art (z.B. schriftlich, malerisch, sportlich) auszudrücken.
Lehrer neigen dazu, die Kontaktfreudigkeit von Extravertierten als Maßstab für Engagement und Erfolg zu nehmen.
Gesellschaftliche Perspektive
Die westliche Kultur verbindet Extraversion mit Erfolg, der durch Geselligkeit, Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen erlangt werden kann.
Extravertierte Eigenschaften wie Schnelligkeit, Wortgewandtheit und Kontaktfreudigkeit werden als nutzbringender bewertet als introvertierte Eigenschaften wie Reflektion, Planung und Umsicht.
Energie ist lauter als Worte: oftmals führt schlussendlich ein charismatischer Auftritt eher zu Anerkennung und Erfolg als tatsächlich wertvolle Inhalte.
Es ist somit nachvollziehbar, dass introvertierte und feinfühlige Frauen, die u.a. solche Erfahrungen machen (und dabei nicht von reflektierten Bezugspersonen begleitet werden, die sie in ihrer individuellen Persönlichkeitsentwicklung fördern), die Überzeugung entwickeln, dass ihr introvertiertes Wesen irgendwie ‚falsch‘ sei und sie sich anpassen müssen, um Erfolg, Anerkennung und Wertschätzung zu erfahren.
Die (unbewusste) Annahme, im Wesenskern ‚falsch‘ zu sein, führt logischerweise zu einer toxischen Scham (hier schreibe ich wie toxische Scham Frauen klein hält und wie diese überwunden werden kann).
Statt ihre Einzigartigkeit zu feiern, statt ihre wertvollen Stärken zu erkennen und auszubauen, statt ihre individuellen Bedürfnisse wichtig zu nehmen und sich ein Leben nach diesen aufzubauen, entwickeln introvertierte Frauen oftmals Strategien, um ihr introvertiertes Wesen zu maskieren.
Dass diese Strategien eine Menge Energie kosten, kann ich aus persönlicher Erfahrung bestätigen. Dabei gäbe es weitaus wichtigere Aspekte, wohin diese Energie stattdessen fließen könnte: in den Genuss des Lebens mit allen Sinnen, in den kreativen Ausdruck, ins Ausleben der individuellen Wildnatur und in die Kultivierung von allem Schönem und Sanften.
7 wertvolle Stärken und Eigenschaften von introvertierten Frauen
Meiner Erfahrung nach brechen viele feinfühlige und introvertierte Frauen früher oder später aus ihrem angepassten Dasein aus – denn die Sehnsucht nach einem authentischen Leben wird irgendwann größer als der vermeintliche Vorteil der Anpassung (hier schreibe ich über Die Heimkehr zur ursprünglichen Wildnatur).
Es liegt dann an ihnen sich neu zu entdecken, den eigenen Wert zu erkennen und sich ihrer Stärken und Eigenschaften bewusst zu machen. Sieben der vielen Stärken und Eigenschaften, die typischerweise introvertierte Frauen innehaben, habe ich hier aufgelistet:
Aufmerksames Zuhören und Empathie: Introvertierte Frauen sind großartige Zuhörerinnen und nehmen die Gefühle anderer feinfühlig wahr. Sie haben Einfühlungsvermögen und Taktgefühl, können Räume gut lesen und in Situationen einschätzen, was gerade gebraucht wird. Viele Therapeutinnen, Psychologinnen und Coaches sind introvertiert.
Analytisches Denken: Sie denken tief nach und treffen durchdachte, gut begründete Entscheidungen. Studien zeigen, dass Introvertierte mehr Aktivität in den Gehirnbereichen haben, die mit Planung, Reflexion und Problemlösung verbunden sind.
Hohes Verantwortungsbewusstsein: Introvertierte Frauen sind bedacht mit ihren Worten und geben keine leeren Versprechungen. Sie haben einen hohen Gerechtigkeitssinn und stehen für ehrliche Kommunikation. Oftmals machen sie sich ein Gesamtbild durch gewissenhafte Recherche, um die Zusammenhänge besser zu verstehen.
Kreativität und Innovationskraft: Aufgrund ihres reichen Innenlebens bringen introvertierte Frauen meist kreative und originelle Ideen hervor. Statt große Reden zu schwingen drücken sie sich gerne künstlerisch und fantasievoll aus. So sind z.B. viele Künstlerinnen und Schriftstellerinnen introvertiert.
Tiefgründigkeit und Innenleben: Introvertierte Frauen neigen dazu, in die Sphären der Psyche und persönlichen Weiterentwicklung einzutauchen. Sie sind darin talentiert, Probleme aus der Meta-Perspektive zu betrachten, um Verstrickungen zu erkennen.
Fokus und Leidenschaft für Expertise: Introvertierte widmen sich gerne intensiv einer Sache und arbeiten dabei konzentriert an langfristigen Zielen. Sie vertiefen sich gerne in spezielle Themen und werden in diesen zu Expertinnen.
Führung mit Feingefühl: Introvertierte Frauen als Führungspersönlichkeiten sind kooperativ (Win-Win-Mindset), präzise und respektieren die Meinungen anderer. Sie haben ein feines Gespür für die Talente ihrer Mitarbeiter und wie diese zu fördern sind. Sie schaffen Räume für Entwicklung und Kommunikation und berücksichtigen dabei unterschiedliche Bedürfnisse.
Es ist an der Zeit, die Masken abzulegen
Introvertierte und feinfühlige Frauen dürfen anerkennen, dass die Maskierung ihres introvertierten Wesens ihnen in der Vergangenheit genutzt hat. Doch es ist an der Zeit die Ergebnisse zu hinterfragen, die durch das Tragen der Masken ins Leben gekommen sind. Sind das die Ergebnisse, mit denen ich mich wohlfühle? Ist das das Leben, der Beruf oder die Beziehung, in der ich mich in meinem Wesenskern wertgeschätzt und anerkannt fühle? Führe ich ein authentisches Leben?
Die Beantwortung dieser Fragen führt introvertierte Frauen zurück zu ihrer Selbstwirksamkeit und ihrer weiblichen Wildnatur und bereichert die Welt mit authentischer Achtsamkeit.
Melde dich jetzt zu meinem regelmäßig stattfindenden Online-Circle rest&connect an, und verbinde dich mit anderen feinfühligen und introvertierten Frauen. Die Teilnahme ist kostenfrei.